Universität Dortmund
Universität Dortmund
 

FACHBEREICH 16

  Geographie - Kunst - Musik - Sport - Textilgestaltung
   
   
   
  Interdisziplinäres kulturwissenschaftliches Kolloquium des FB 16
  Beitrag des Instituts für Musik und ihre Didaktik
Parlez-vous Français ?
Do you speak English?
     
 
 
DIE KONSTRUKTION KOLLEKTIVEN WISSENS UND DIE POPULÄRE MUSIK
Dr. Dietrich Helms
 
 

Ein kulturwissenschaftlicher Studiengang sollte über die Vermittlung interdisziplinärer Denkweisen hinausgehen und einen eigenen Ansatz entwickeln. Ein Schlüsselbegriff in den Vorträgen des Kolloquiums war immer wieder die Wahrnehmung. Die Erforschung der Wahrnehmung ihres jeweiligen Gegenstands scheint ein gemeinsames Interessensgebiet aller Fächer des FB 16 zu sein. Auf dieser Grundlage entwickelte der Vortrag am Beispiel der populären Musik mögliche Ansätze und Fragestellungen. Ausgangspunkt war die Theorie des radikalen Konstruktivismus und die Kulturdefinition Siegfried J. Schmidts: "Kultur [...] ist das Programm sozialer (Re-)Konstruktion kollektiven Wissens in/durch kognitiv autonome [sic!] Individuen." (1)

Der Mensch beobachtet seine Umwelt und interpretiert das Verhalten anderer Menschen nach seinem aus vorhergehenden Beobachtungen gewonnenem Kategoriensystem. Bei der Beobachtung von Menschen mit ähnlichen Lebenserfahrungen kann er davon ausgehen, dass seine Kategorisierungen ihres Verhaltens und ihrer kommunikativen Äußerungen zutreffender sind, als bei Menschen mit stark abweichenden Lebensläufen. Kommunikation und das korrekte Deuten der Handlungen anderer Menschen ist nur möglich durch Standardisierungen von Handlungen und Verhalten, von Sprache oder auch von Gefühlen bzw. deren Ausdruck. Diese vom Individuum konstruierten Standardisierungen machen das von Schmidt angesprochene Konstrukt eines kollektiven Wissens aus. Ein Individuum, das keine Möglichkeit hatte, dieselben Beobachtungen zu machen wie ein anderes, weil sie räumlich oder zeitlich getrennt gelebt haben, kann zwar einen Begriff oder ein Symbol lernen. Es kennt aber nicht den vollständigen Satz unausgesprochener Regeln, Verhaltensweisen, Assoziationen und Konnotationen, die zum Verständnis oder zu einer korrekten Praxis notwendig sind. So entstehen durch unterschiedliche Wahrnehmungsbiographen Abgrenzungen.

Eine an der Wahrnehmung ausgerichtete Erforschung der populären Musik hätte z.B. die Kategoriensysteme zu analysieren, die Individuen als konstitutiv für eine bestimmte Kultur erachten. Wir haben z.B. in Deutschland deutlicher noch als in anderen westlichen Gesellschaften zwei getrennte Kulturen zur Musik entwickelt: die der Kunst-Musik und die der Populären Musik. Diese beiden Kulturen schließen sich untereinander nicht aus. Ein Individuum kann je nach Kontext Mitglied der einen oder der anderen Kultur sein. Dass beide Kulturen individuelle Konstrukte sind, lässt sich durch einen Versuch der Abgrenzung beider Kulturen (einer Definition) belegen. Kulturwissenschaftlich interessant wäre eine Erforschung der individuellen Kategoriensysteme, die zu einer Entscheidung (Populäre Musik vs. "klassische" Musik) führen. Ein Vergleich dieser individuellen Systeme könnte wiederum Spezifika sozialer Gruppen aufzeigen. Wahrnehmung ist immer ganzheitlich und so ist zu erwarten, dass musikalische Faktoren nur einen Teil der Kategoriensysteme ausmachen. Die Kulturen unterscheiden sich auch z.B. in ihren Standardisierungen von Bewegungen, sozialem Handeln, Kleidung, räumlichen Kontexten... Ein interessanter 1. Untersuchungsaspekt ist auch der Vorgang des Beobachtens an sich und die hierfür wichtigen Faktoren, wie z.B. die Auswirkungen von Autoritäten ("Definitionsmacht") und die Suche nach Individualität sowie die unterschiedlichen Wege der Aneignung von Kategoriensystemen.

 

(1) Siegfried J. Schmidt - Konstruktivismus als Medientheorie, In: Mensch - Medien - Musik-, hrsg. v. Thomas Hemker und Daniel Müllersiefen, Hamburg 1997. S. 39 - 59, S. 50.

   
1. Veranstaltungsankündigung
2. Geographie
  3. Kunst
  4. Musik
  5. Sport
  6. Textil
 
  Ergebnisse
   
UniDo Logo
   
 © Dekanat FB16, 22.01.2001 | Kontakt | Impressum | Webmaster |